Ein Kiezspaziergang rund um die Leberstraße in Schöneberg
Der Kiez rund um die Leberstraße wird auch die „rote Insel“ Schöneberg benannt. Die Häuser aus der Kaiserzeit und die alten Fabrikgebäude stehen für den Widerstandsgeist ihrer Bewohner gegen die Nationalsozialisten.
Wir beginnen unseren Kiezspaziergang am S-Bahnhof Yorkstraße und biegen sogleich in die Katzlerstraße ein. An der Großgörschenstraße kommen wir am St.-Matthäus-Friedhof vorbei, der auf einem anderen Spaziergang eine Rolle spielte (hier liegen u.a. die Gebrüder Grimm begraben). Wir folgen der Großgörschenstraße bis zur Crellestraße, in die wir links einbiegen. An der Helmstraße führt links ein kleiner Weg zur Julius-Leber-Brücke mit der gleichnamigen S-Bahn-Station. Auf der Brücke befindet sich im Geländer eine Gedenktafel für Julius Leber, einer der führenden Köpfe der Widerstandsbewegung gegen die Nazis.
Auch die Leberstraße, in die wir kurz hinter der Brücke rechts einbiegen, trägt den Namen des Widerstandskämpfers. In paar Meter die Straße hinein fällt uns an einer Brandwand das Porträt von Marlene Dietrich auf, die hier in der Straße in der Hausnummer 65 am 27. Dezember 1901 das Licht der Welt erblickte. Marlene Dietrich gilt als Hollywood- und Stilikone und ist eine der wenigen deutschsprachigen Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts, die auch international Ruhm erlangten. In dem Haus mit der Nummer 33 verbrachte Hildegard Knef bei ihren Großeltern ein Teil ihrer Kindheit. Die Knef war eine deutsche Schauspielerin, Chansonsängerin und Autorin. Sie wurde der erste große deutsche Nachkriegsstar. Vermutlich haben sich die beiden Weltstars Marlene Dietrich und Hildegard Knef in ihrer Jugend nie gesehen, obwohl sie nur ein paar Meter auseinander in der Leberstraße in Berlin-Schöneberg einige Zeit ihres Lebens verbracht haben.
In den Seitenstraßen fallen die Häuser aus der Kaiserzeit auf, die zum Teil liebevoll restauriert sind. Daneben erinnern aber auch alte Fabrikgebäude und Häuser an die Arbeiterbevölkerung, die hier einst gelebt hat. Am Gustav-Müller-Platz steht die achteckige, 1912 erbaute, Königin-Luise-Gedächtniskirche mit ihrer neobarocken Kuppel. Die nächste Querstraße ist die Leuthener Straße, die den Blick freigibt auf den Gasometer. Das Wahrzeichen der „roten Insel“ wurde 1910 errichtet, ist über 50 Meter hoch und fasste 160.000 Kubikmeter Stadtgas. Heute befinden sich auf dem ehemaligen Industriegelände der EUREF-Campus, mit der Veranstaltungskuppel (Talkshows mit Günter Jauch), internationale Unternehmen und Forschungseinrichtungen.
An der Torgauer Straße wurde vom Bezirk ein neuer Grünstreifen angelegt, der die Gegend attraktiver gestalten soll. Auch die alte Baracke hinter der Gotenstraße soll renoviert werden. Sie ist die ehemalige alte Kohlenhandlung von Julius Leber und seiner Frau Annedore, die sich hier im Untergrund mit Gleichgesinnten trafen. Das Gebäude wurde im Krieg zwar zerstört, wurde von Annedore Leber 1950 aber wieder errichtet. In Zukunft soll das Gebäude offen für politische und kulturelle Veranstaltungen, sowie Lernort für Gruppen oder Schulklassen sein. Nach der Renovierung werden Besucher dann auch über die Geschichte des Hauses mehr Informationen erhalten. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt