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Amerikanische „Quäker“ hinterlassen ein Nachbarschaftshaus

Immer wenn die S-Bahn am Bahnhof Zehlendorf Fahrgäste „ausspuckt“, wird es laut im Bahnhofstunnel, denn gleich mehrere Händler preisen ihr frisches Obst und Gemüse besonders lebhaft an. Hier am Treptower Damm beginnt dann auch die lebendige Einkaufsstraße des Ortsteils Zehlendorf, im Bezirk Steglitz-Zehlendorf.

Bis zur Bezirksreform 2001 war Zehlendorf ein eigenständiger Verwaltungsbezirk von Berlin, mit den Ortsteilen Zehlendorf, Dahlem, Nikolassee und Wannsee. Der Bezirk war durch das Nebeneinander von großen Wald- und Wasserflächen, zum Teil gehobenen Wohnlagen sowie bedeutenden wissenschaftlichen Einrichtungen gekennzeichnet.

Wir beginnen unseren Kiezspaziergang an der S-Bahn, überqueren den Teltower Damm und biegen in die Anhaltiner Straße ein. Schon ein paar Schritte weiter und es wird merklich ruhiger. Der pulsierende Verkehr ist am Nentershäuser Platz schon nicht mehr zu hören und an der Ecke zur Martin-Buber-Straße zwitschern im beschaulichen Gartenhaus Cafe´ die Vögel in den Bäumen. Schräg gegenüber zeugt nur noch der Schriftzug davon, dass hier früher das „Kaiserliche Postamt“ seinen Dienst versah. Ein paar Meter in die Beuckestraße hinein stehen wir vor dem imposanten Gebäude des Schadows-Gymnasiums, mit dem massigen Treppenturm, der das gewaltige Gebäude noch überragt. Es wurde 1912 als Reformrealgymnasium gebaut. Auf dem Nebengrundstück macht ein weiterer historischer Bau auf sich aufmerksam. Die Beucke-Schule, 1905 als humanistisches Gymnasium gebaut, ist heute eine Realschule. Architekt Franz Thyriot wollte mit der Übernahme historischer Bauformen den bürgerlich-konservativen Ansprüchen der Gemeinde entgegenkommen. Drei hohe, nebeneinander gestellte Renaissancegiebel, weiß verputzte Wände und akzentuierende Werksteinrahmungen prägen die Eingangsseite. Das Schulgebäude erinnert in seiner Baukörperentwicklung wie den einzelnen Giebelformen, Fenstern, tonnengewölbten Durchgängen und dem Dachturm an ein deutsches Renaissanceschloß.

Der weitere Weg über die Düppelstraße und Hohenzollernstraße ist geprägt von Villen und Herrenhäusern, die ebenfalls wie kleine Schlösser wirken und von gehobener Wohnkultur zeugen. Die mächtigen Laubbäume auf den großzügigen Grundstücken geben den zum Teil denkmalgeschützten Villen reichlich Schatten und ein imposantes Aussehen. Das zeigt sich auch in der Villa „Mittelhof“, die am Ende der Markgrafenstraße steht, in die wir zuvor links eingebogen sind. Die renovierte Gründerzeitvilla ist inzwischen ein Nachbarschaftshaus, dass 1947 in der Nachkriegszeit von amerikanischen Quäkern gegründet wurde. Linderung der Not, Hilfe zur Selbsthilfe und Erziehung zur Demokratie waren primäre Angebote, die in den ersten Jahren mit der amerikanischen Unterstützung für Menschen aus ganz Berlin entwickelt und umgesetzt wurden. In den 50er Jahren überließen die Quäker dem inzwischen selbstständig arbeitenden Verein Nachbarschaftsheim Mittelhof Berlin e.V. das Stammhaus und zogen sich vollständig zurück. Heute steht der Mittelhof mit seiner Geschichte und Tradition für das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Kulturen, Religionen und ethnischer Zugehörigkeit. Von Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit geprägte Haltungen und Werte sind durch ein humanistisches Menschenbild bestimmt. Auf der nach hinten liegenden Terrasse kann man mit Blick auf den großzügig angelegten, kinderfreundlichen Garten bei Kaffee und Kuchen eine kleine Rast einlegen.

Wir folgen rechts der Königsstraße und biegen noch einmal rechts in die Martin-Buber-Straße ein. An der Ecke zur Kirchstraße erhebt sich die evangelische Pauluskirche, die mit ihren roten Ziegeln an die märkische Backsteingotik erinnert. Die 1903/05 im Rahmen des kaiserlichen Kirchbau-Programms erbaute neugotische Kirche wurde Ende 1992/93 im Innern multifunktional für Konzerte, soziale Einrichtungen und für diverse Gruppen in Zehlendorf umgestaltet. Nicht ganz so prächtig sieht gegenüber das Bürgeramt Zehlendorf aus, das eher an ein altes „Fabrikgebäude“ erinnert. Dafür hat Zehlendorf am Teltower Damm 10 eine in Berlin beliebte „Hochzeitsvilla“, in der Brautpaare ihr Eheversprechen abgeben. Bevor es wieder zurück zur S-Bahn auf die belebte Einkaufsstraße geht, bietet sich der Weg durch Zehlendorfs grüne Dorfaue an, auf der im Winter der Weihnachtsmarkt mit der beliebten Eislaufbahn stattfindet. Text und Fotos: Klaus Tolkmitt

 

Fotos: von oben nach unten: Die Dorfaue in Zehlendorf, Die Beucke-Schule, Das Gartenhaus Cafe´, Die Villa Mittelhof, Das Standesamt Zehlendorf.

 

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